
Aber was bedeutet Stigmatisierung?
Wissenschaftliche Arbeiten über das Phänomen der „Stigmatisierung“ im allgemeinen Sinne sind zahlreich vorhanden.
Empirische Untersuchungen und Theorieentwicklungen sowie Forschung finden immer mehr in der breiten Öffentlichkeit Interesse:
Um das Wort Stigma überhaupt besser verstehen zu können, ist es wichtig die Definition dessen zu kennen:
„Im ursprünglichen Wortsinn aus dem Griechischen und Lateinischen stammend bedeutet Stigma „Zeichen“, „Brandmal“ oder „Stich“ und diente als Bezeichnung dafür, wenn sich eine Person in besonderer Weise von anderen unterschied. „Die Zeichen wurden in den Körper geschnitten oder gebrannt und taten öffentlich kund, dass der Träger ein Sklave, ein Verbrecher oder ein Verräter war – eine gebrandmarkte, rituell für unrein erklärte Person, die gemieden werden sollte, vor allem auf öffentlichen Plätzen.“ (Goffman 2003:9) Im Mittelalter traten noch religiös geprägte metaphorische Bedeutungsinhalte dazu. (…)
Doch wie erklärt Goffman nun das Phänomen Stigma? Er führt dazu das Konstrukt der „sozialen Identität“ an, das sowohl persönliche Charaktereigenschaften als auch strukturelle Merkmale beinhaltet (vgl. Goffman 2003:10), und unterteilt es in eine „virtuale“ sowie „aktuale“ Seite. Die virtuelle soziale Identität sieht er durch Vorstellungen bzw. Erwartungen charakterisiert, mit Hilfe derer eine Person in bestimmte Kategorien eingeordnet werden kann. Diese prägen das Verhalten, übernehmen auch entlastende Funktionen. Die aktuelle soziale Identität meint dagegen Merkmale und Attribute, über welche die Person tatsächlich verfügt. Zwischen beiden Identitätsformen kommt es notwendigerweise im Alltag zu Differenzen, da Vorstellungen oder Erwartungen eine Person betreffend und die Wirklichkeit in Interaktionsprozessen voneinander abweichen können. Diese Diskrepanzen müssen nicht in jedem Falle als problematisch eingestuft werden. Sie können jedoch dazu führen, dass Personen Attribute zugeschrieben werden, die diese als abweichend kennzeichnen und damit herabstufen. Solche Attribute wertet Goffman dann als Stigma – insbesondere, wenn deren diskreditierende Wirkung sehr stark ist (Goffman 2003:11). „Der Terminus Stigma wird also in Bezug auf eine Eigenschaft gebraucht werden, die zutiefst diskreditierend ist, aber es sollte gesehen werden, dass es einer Begriffssprache von Relationen, nicht von Eigenschaften bedarf.“ (Goffman 2003:11) Das Merkmal selbst steht also nicht im Mittelpunkt eines Zuschreibungsprozesses, sondern die negative Definition dessen.
Die Eigenschaft wird erst dann zum Stigma, wenn sie von anderen als Normabweichung verstanden wird und gleichzeitig eine negative Bewertung erfolgt.
Für Stigmata ist es daneben charakteristisch, dass über das vorhandene Merkmal hinaus der Person weitere negative Eigenschaften zugeschrieben wer- den, die objektiv keinen oder nur einen geringen Bezug zu dem real vorhandenen Merkmal haben. Hohmeier (1975) spricht von der Übertragung eines Merkmals auf die gesamte Person, wodurch er Stigmatisierung als Prozess der Generalisierung beschreibt, der auf die Person in all ihren sozialen Bezügen wirkt.
Goffman nimmt in seinen weiteren Ausführungen eine Unterteilung von möglichen Stigmata in drei Kategorien vor: „physische Deformationen“ wie z. B. Körperbehinderungen, „individuelle Charakterfehler“ wie etwa Geistesverwirrung, Sucht und daneben noch „phylogenetische Stigmata“ wie Rasse, Nation und Religion (vgl. Goffman 2003:12f). Für alle drei genannten Bereiche gilt, dass Menschen, die stigmatisiert werden, in Eigenschaften und/oder Verhalten in unerwünschter Weise anders sind, als es vom Gegenüber antizipiert wurde.(…)
Die bisherigen theoretischen Vorüberlegungen bilden sich in einer immer noch aktuellen Definition zum Begriff des Stigmas ab, die bei Jones et al. (1984) zu finden ist: „[…] stigma can be seen as a relationship between an ,attribute and a stereotype’ to produce a definition of stigma as a ,mark’ (attribute) that links a person to undesirable characteristics (stereotypes)“ (zit. nach Grausgruber 2005:22). Diese Aussage macht deutlich, dass das Konstrukt Stigma eine Beziehung zwischen einem Attribut und einem Stereotyp darstellt. Über diese Verknüpfung werden der Person unerwünschte Eigenschaften zugeschrieben, sie wird stigmatisiert.
Ein zentraler Begriff, der auch in anderen Definitionen auftaucht, ist der des Stereotyps als „relativ verfestigte, verallgemeinernde oder vereinfachende Bilder von einem Meinungsobjekt.“ (Grausgruber 2005:22) Stereotype können damit die soziale Orientierung durch Verallgemeinerung und Vereinfachung erleichtern, was dem Begriff des Vorurteils nahe kommt. Eine Abstufung im Bedeutungsgehalt muss jedoch vorgenommen werden, da Vorurteile durch eine besonders „verhärtete subjektive Voreingenommenheit“ gekennzeichnet sind (vgl. Graus- gruber 2005:23). Einige Autoren (z. B. Hohmeier 1975) sehen
Stigma als Sonderfall eines sozialen Vorurteils. Und so können Stigmata wie auch Vorurteile auf der Einstellungsebene verortet werden, während der Prozess der Stigmatisierung die Verhaltensebene anspricht.“
Quelle: http://www.hs-hannover.de/fileadmin/media/doc/bibl/blumhardtverlag/leseprobe_ma1.pdf
„Eine frühe Arbeit zu Ursachen und Funktionen von Stigmata stammt von Hohmeier (1975): „Stigmatisierung als sozialer Definitionsprozess“.
Er stellt darin Hypothesen für die Herausbildung von Stigmata auf.
Folgende Voraussetzungen führt Hohmeier für deren Entstehen an:
Stigmata sind mit einer Generalisierung, mit der Übertragung eines einzelnen Merkmals sowie zusätzlichen negativen Attributen auf die gesamte Person verbunden und tragen so aus ihrer Struktur heraus schon zu einer hohen Wirksamkeit von Stigmatisierungsprozessen bei. Damit einhergehend nennt Hohmeier den Wunsch von Individuen nach Unterscheidung und Abgrenzung. Er beschreibt die Orientierung an Vorurteilen als „anthropologisch“ verankert und stellt die Entlastungsfunktion von Vorurteilen heraus. (nach Rüsch et al. 2005:223)
Als weiteres Kriterium für die Durchsetzung von Stigmata führt er die Abweichung von einer allgemeingültigen Norm an, betont aber gleichzeitig, dass ein Normbruch nicht automatisch eine Stigmatisierung auslösen muss. Zusätzliche Faktoren wie Verbindlichkeit und Verbreitung der Norm sind dafür entscheidend. Das Eingreifen von Sanktionsinstanzen oder das Verhalten gesellschaftlicher Gruppen, deren Interessen betroffen sind, hält Hohmeier hier für bedeutsam. In diesem Zusammenhang weist er außerdem darauf hin, dass Prozesse der Stigmatisierung und Diskriminierung machtabhängig sind. Ist ein Machtgefälle zwischen Stigmatisierten und Stigmatisierenden vorhanden, gelingen Ausgrenzung und Stigmatisierung leichter (vgl. Hohmeier 1975).“
Eine frühe Arbeit zu Ursachen und Funktionen von Stigmata stammt von Hohmeier (1975): „Stigmatisierung als sozialer Definitionsprozess“. Er stellt darin Hypothesen für die Herausbildung von Stigmata auf. Folgende Voraussetzungen führt Hohmeier für deren Entstehen an: Stigmata sind mit einer Generalisierung, mit der Übertragung eines einzelnen Merkmals sowie zusätzlichen negativen Attributen auf die gesamte Person verbunden und tragen so aus ihrer Struktur heraus schon zu einer hohen Wirksamkeit von Stigmatisierungsprozessen bei. Damit einhergehend nennt Hohmeier den Wunsch von Individuen nach Unterscheidung und Abgrenzung. Er beschreibt die Orientierung an Vorurteilen als „anthropologisch“ verankert und stellt die Entlastungsfunktion von Vorurteilen heraus. (nach Rüsch et al. 2005:223)
Als weiteres Kriterium für die Durchsetzung von Stigmata führt er die Abweichung von einer allgemeingültigen Norm an, betont aber gleichzeitig, dass ein Normbruch nicht automatisch eine Stigmatisierung auslösen muss. Zusätzliche Faktoren wie Verbindlichkeit und Verbreitung der Norm sind dafür entscheidend. Das Eingreifen von Sanktionsinstanzen oder das Verhalten gesellschaftlicher Gruppen, deren Interessen betroffen sind, hält Hohmeier hier für bedeutsam. In diesem Zusammenhang weist er außerdem darauf hin, dass Prozesse der Stigmatisierung und Diskriminierung machtabhängig sind. Ist ein Machtgefälle zwischen Stigmatisierten und Stigmatisierenden vorhanden, gelingen Ausgrenzung und Stigmatisierung leichter (vgl. Hohmeier 1975)“

Als Normabweichung in unserer Gesellschaft wird es verstanden, wenn Mütter von ihren Kindern entrissen, entsorgt und „entfernt“ werden.
Wie sollen wir betroffene Mütter mit dieser Stigmatisierung umgehen?
Warum müssen wir uns ständig dafür rechtfertigen?Warum werden wir, wenn wir unseren Mut zusammen nehmen und von der schrecklichsten Geschichte unseres Lebens erzählen, die unfraglich, das schmerzhaftestes Erleben unseres Frau-Seins ausmacht, mit Ablehnung konfrontiert?Warum werden wir sogar von anderen Müttern als Aussätzige behandelt, als schlecht eingestuft als normabweichend und damit als sozial negativ?
Und ist es nicht auch eine Stigmatisierung der betroffenen Kinder?Erhalten sie nicht auch die gleiche Rückmeldung aus der Gesellschaft bzgl. ihrer Mutter?
Manche von uns sind finanziell einfach am ENDE, um weiter gerichtlich zu kämpfen.Einige von uns, hören auf sich zu wehren FÜR IHRE KINDER, zum WOHL der Kinder, damit der endlose Kampf nicht noch weiter auf ihren Rücken ausgetragen wird.Wiederum andere sind leider entmutigt, kraftlos, krank geworden und so erschüttert und getroffen von den Geschehnissen, dass sie sich gar nicht mehr weheren können.Aber daran denkt ja niemand, der uns in eine Schublade steckt!
Ich habe es satt nur weil meine Kinder nicht bei mir leben, als Alkoholikerin insgeheim eingestuft zu werden, wenn ich KEINEN Alkohol trinke.Ich habe es einfach satt, von anderen Müttern abgewertet zu werden, obwohl WIR diejenigen Mütter sind, die weiß Gott, wirklich für unsere Kinder kämpfen, leiden und aus Liebe für UNSERE KINDER all das Leid auf uns nehmen.Ganz ehrlich, ich hoffe, dass keine Mutter das erleben muss, was ich widerfahren habe.
WÄREN WIR ZUM BEISPIEL AUFGRUND VON ALKHOL entsorgt worden, dann wären wir aber auch so mutig, genau DAS zu erzählen.Weil wir nämlich sehr wohl reflektieren können und unsere Fehler einsehen können, wenn es welche gegeben hat.
Den Mitarbeitern von Ämtern, die solche Behauptungen aufstellen, sollte man sofort Unterlassungsklagen schicken. Die verstehen leider keine andere Sprache.
LikeLike
Aber die verstehen sicher auch nicht die Sprache der Unterlassungsklage, oder? Schon mal ausprobiert?
LikeLike
Ganz genau so ging es uns nonstop mit dem Jugendamt. Deinen Artikel finde ich deshalb hochinteressant. Das Amt bekam von allen Berufsschichten die Bestätigung, dass wir böse seien, weil wir schon stigmatisiert waren. Danke für diese Erläuterung!
LikeLike