Prävention fängt beim Vater an

family-3829013Lange habe ich nichts mehr auf Entmuttert geschrieben.

Zum einem, weil sich manche Sachverhalte zum Positiven verändert haben und ich mit den gegebenen Umständen soweit leben kann. Auch wenn ich oftmals in tiefer Trauer bin und ich meine Kinder schrecklich vermisse. Ohne Verdrängung geht es aber gar nicht. 

Zum anderen, weil ich selbst ins Ausland gezogen bin und dort neue Erfahrungen sammele.

Eine davon ist, dass Deutschland doch viel schöner ist und eine viel höhere Lebensqualität bietet, als ich zuvor dachte. Und nun weiß ich endlich, was Heimweh ist. Wie sehr ich einen schönen Edeka und Aldi vermisse und deren Produkte! Oder  einfach mal „Hallo“ und „Tschüss“ sagen können, ohne als unhöflich zu gelten. Oder  meine gewohnte Sprache zu hören. Oder einfach mal zum Arzt gehen zu können, ohne eine saftige Rechnung zu erhalten, weitere Arztbesuche  traue ich mich schon gar nicht mehr…. trotz Krankenversicherung, wohl gemerkt.

Da,  wo ich jetzt lebe, ist es auf jeden Fall aber auch schön, grün, bergig, viele Seen, Natur. So weit eben –  so schön. Zumindest, wenn man die Gelegenheit hat, die Natur und das Land zu erkunden.

Heute war ich in einer Art Vodafone Shop, (der heisst hier nur anders) um ein Angebot für Internet und TV zu erhalten.

Der Mitarbeiter war (Gott sei Dank) Deutscher, darf ich das sagen?! Ja, darf ich! Und so konnte ich mich ganz normal mit ihm unterhalten. Relativ bald fragte er mich, wie ich denn das Land finde, in dem ich zur Zeit lebe. Ich antwortete:  „Ganz gut.“ – also diplomatisch geschickt, würde ich sagen. Ja, da könne er mir beipflichten, die Landschaft, die Natur usw., ja! –  alles schön.

Aber als Deutscher mit philippinischer Herkunft habe er es gar nicht so leicht hier, bemerkte er rasch.  Und seine Frau, die seit drei Jahre nun auch hier sei, erst recht nicht. Sie könne die Sprache nur schlecht und finde keinen Anschluss. Zudem haben sie einen 20 Monate alten Sohn. „Mein ganzer Stolz! Ich bin Familienvater!“, erzählte er strahlend. Sein gesamtes Tun und Schaffen und Handeln sei nur auf das Wohlergehen seines Sohnes ausgerichtet, er und seine Frau kämen nicht an erster Stelle.

So ist das, wenn man Kinder hat, dachte ich.

Er wünsche sich für seinen Sohn Zugang zu Bildung und dass es ihnen als Familie finanziell soweit gut ginge. Da er ausgesprochen gut verdiene, müsse seine Frau auch nicht arbeiten und können sich uneingeschränkt um den Sohn kümmern. Ich lobte dies, weil ich glaube, dass die ersten Lebensjahre in der Entwicklung eines Kindes auf eine Bezugsperson gerichtet, speziell die Mutter, eine hervorragende Prävention ist in Bezug auf die spätere Entwicklung ( sofern eine gesunde Beziehung zwischen der Bezugsperson und dem Kind besteht) .

Hierzu ein interessanter Artikel aus dem Ärzteblatt

Quelle: https://www.aerzteblatt.de/archiv/52988

Eltern-Kind-Bindung: Kindheit bestimmt das Leben
PP 5, Ausgabe Oktober 2006, Seite 455, Wettig Jürgen

Das Kind ist, besonders in den ersten fünf Lebensjahren, seinen engsten Bezugspersonen, vor allem der Mutter, völlig ausgeliefert. Nähe und Distanz, Erziehungsstil und Vorbildfunktion setzen elementare Meilensteine für den späteren Lebensweg. Ist der Vater streng und pedantisch, körperlich krank, alkoholsüchtig oder gewalttätig? Ist die Mutter depressiv, religiös, ehrgeizig oder chronisch überfordert? Setzt die Scheidung der Eltern eine scharfe Zäsur im konflikthaften Familienmilieu und verlangt vom Kind unzumutbare Parteilichkeit? Wird die Rivalität unter Geschwistern leichtfertig durch ungleiche Zuwendung bis zum vernichtenden Hass geschürt? Wird in der Familie gemeinsam gesprochen, gegessen, gestritten, gespielt und gelacht oder herrscht abseits jeder Spontaneität ein Geist strenger Rituale, kühler Distanz und aseptischer Sauberkeit?

Auch der junge deutsch-philippinische Vater wusste davon, dass die ersten Lebensjahre enorm wichtig sind zwischen der Bezugsperson und dem Kind.

Von Geburt an hat der Mensch ein biologisches Bedürfnis nach Bindung. Bindung bedeutet ein lang anhaltendes emotionales Band zu ganz bestimmten Personen, die nicht beliebig austauschbar sind. Ihre Nähe und Unterstützung wird immer dann gesucht, wenn zum Beispiel Angst, Trauer oder Krankheit in einem Ausmaß erlebt werden, das nicht mehr selbstständig regulierbar ist. Geht die primäre Bezugsperson, traditionell die Mutter, feinfühlig und verlässlich mit den Wünschen des Kindes um, so wird es Urvertrauen entwickeln. Die ersten 18 Monate entscheiden, ob das Kind im späteren Leben Beziehungsfähigkeit erlangt und seine Affekte angemessen regulieren kann.

Die Präferenz für das Gesicht der Mutter, das Antwortlächeln im dritten Monat und das Fremdeln im achten Monat sind wichtige Hinweise dafür, dass die Unterscheidungsfähigkeit schon gut entwickelt und das Bild der Mutter verinnerlicht ist.

Die Exploration, das heißt das Erkundungsverhalten des Kleinkindes, erfolgt nur bei Anwesenheit der bekannten Bezugsperson, die als sichere Anlaufstation dient. Die ungestörte Entwicklung des Kindes in den ersten Lebensjahren basiert auf feiner Wahrnehmung kindlicher Bedürfnisse, intuitiver elterlicher Empathie und Affektresonanz. Zwischen 1945 und 1960 untersuchten John Bowlby und René Spitz systematisch Waisenheimkinder, die durch Trennung von der Mutter Entwicklungsschäden aufwiesen. Diese waren jedoch nicht nur Folge des Verlustes per se, sondern in hohem Maße abhängig von der Qualität des Ersatzmilieus, das im Heim denkbar ungünstig imponierte. Kinder depressiver Mütter weisen ähnliche Entwicklungsdefizite auf wie Heimkinder, da diese Mütter emotional nicht auf die Signale des Kindes respondieren, eine starre Mimik zeigen oder das Baby nicht ausreichend stimulieren.

Ich pflichtete ihm bei und lobte vor allem, welche Aufgabe seine Frau, die Mutter seines Sohnes innehat, da ich nur allzu gut weiß, was es bedeutet, rund um die Uhr für ein Kind da zu sein und es aufzuziehen. Das ist nun mal kein 9-17 Uhr Job, den man mit etwas Überstunden an manchen Tagen absolviert und 25 Tage Anspruch auf Urlaub hat. Sondern eine Tag-und Nacht -dauernde- Verantwortung und enorme Energieaufwendung.

Auch er sieht das so und meinte scherzhaft, dass er heute nur zwei Stunden den Kleinen hatte und da schon mit den Nerven am Ende war und im übrigen froh, als er auf die Arbeit gehen konnte.

Ja, ein Job im Büro als Angestellter oder in einem Unternehmen an sich mit festen Arbeitszeiten, fester Struktur und vor allem einen Gehalt, das die Leistung entlohnt und Anerkennung,  sowie Lob von Kollegen oder Vorgesetzten,  ist natürlich eine andere Kategorie als der oftmals unerfüllte Hausfrauen-Kram. Und seien wir mal ehrlich, wir Mütter: Intellektueller werden wir durch Kindererziehung nicht.

Aber darum geht es in meinem Beitrag heute gar nicht. Sondern einzig und allein darum, dass ich glaube, wenn der Vater frühzeitig dafür sensibilisiert wird, was Mutterschaft und Muttersein bedeutet, dass er diese Leistung genauso anerkennt, wie seine anerkannt wird in seinem bezahlten Job. Dann könnte sich präventiv etwas entwickeln, was in späteren Zeiten, wenn es kritisch wird, nicht zu einer Katastrophe kommt, wie es uns entmutterten Frauen ergangen ist.

Denn eines ist klar: Wir wurden entmuttert, weil wir hilflos, klein, unselbständig, abhängig, verloren, gebückt und naiv waren. Die Anzeichen für die Tat waren immer irgendwo zu spüren. Wir konnten nur nicht glauben, dass jemand so bösartig sein kann, DER, der Vater unserer Kinder ist, UNS und unseren Kinder das anzutun.

Daher ist mein Meinung:

Prävention ist wichtig und fängt beim Vater an!

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  1. Ich denke, es hilft, wenn die Rollen nicht so klar verteilt sind: nicht einer bei den Kindern, einer auf der Arbeit. Sondern beide beides kennen und dadurch sehr viel mehr Verständnis füreinander haben, aber auch mehr Möglichkeiten. Natürlich ist das nicht immer so leicht umzusetzen, aber ich denke, es hilft viel.

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